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Unverbaute Landschaft und intaktes Ortsbild werden wichtiger

Der Trend zum sanften Wintersport ist ungebremst. Immer mehr Menschen in Deutschland und Österreich entscheiden sich bewusst dafür, den Winter abseits der Skipiste zu erleben – beispielsweise bei einer Schneeschuhwanderung, Skitour oder dem Wandern auf geräumten Winterwanderwegen.

Sie möchten den Menschenmassen auf den Skipisten entgehen. Was bedeutet dieser Trend für Wintersport-Destinationen? Wir sprachen mit Thomas Bucher, Pressesprecher des Deutschen Alpenvereins (Sektion München/Oberland), zu möglichen Lösungen und Angeboten im Tourismus.

Thomas Bucher, Pressesprecher Deutscher Alpenverein


Best of Winter: Herr Bucher, gibt es einen Trend zum „sanften Wintersport“?


Thomas Bucher: Ja, den gibt es. Es gibt immer mehr Menschen, die entweder gar nicht mehr alpin skifahren oder in ihren Urlauben zumindest auch andere Wintersportaktivitäten machen möchten.

Vielen Urlaubern reicht der Aufenthalt in den Bergen an sich – mit oder ohne Wellnessangebot. Ob sportlich oder nicht: Den Urlaubern werden eine möglichst unverbaute Landschaft und ein intaktes Ortsbild immer wichtiger.

Schneeschuhwandern Ammergauer Alpen


Best of Winter: Welche Sportarten bzw. Aktivitäten „boomen“ besonders und warum?


Thomas Bucher: Ganz weit vorne ist das Schneeschuhwandern. Auf Schneeschuhen kann man die winterliche Landschaft sehr intensiv genießen, muss kein Skifahrer sein. Immer beliebter wird auch das Skitourengehen, insbesondere auf der Piste.

Dies vor allem, weil man sich mit den Risiken abseits der Pisten nicht auseinandersetzen muss, aber den Fitnessfaktor mitnimmt.

Skitour Region Grossarltal



Best of Winter: Wie müssen die Angebote der Winterdestinationen gestaltet sein, damit sie naturverträglich sind?


Thomas Bucher: Das ist ein weites und anspruchsvolles Feld, wo alle Beteiligten noch am Anfang stehen. Es fängt an mit der Infrastruktur sowohl im Ort als auch in der Natur, geht über das Anreiseverhalten der Urlauber und wird bei den sanften Wintersportangeboten erst richtig anspruchsvoll.

Denn das eigentlich sanfte Schneeschuhwandern zum Beispiel ist dann nicht mehr sanft, wenn Massen überall durch die Winterlandschaft stapfen. Wie aber soll ein einerseits attraktives, andererseits sanftes Schneeschuhtourenangebot aussehen? Ausgewiesene Schneeschuhtouren? Geführte Touren? Hier ist viel Konzeptarbeit zu leisten.

 

Sanfter Wintersport in der Alpenwelt Karwendel

 

Best of Winter: Wie unterstützt der DAV naturverträglichen Wintersport?


Thomas Bucher: Seit mehr als 20 Jahren haben wir das Projekt „Skibergsteigen umweltfreundlich“, bei dem wir für den gesamten bayerischen Alpenraum Routenempfehlungen und Schutzgebiete erarbeitet haben. Die sind jetzt in unseren Alpenvereinskarten und unter alpenvereinaktiv.com sowie auf Schildern vor Ort sichtbar. Sie gelten ebenso für Skitourengeher wie Schneeschuhwanderer. Auf einer anderen Ebene unterstützen wir Gemeinden im bayerischen Alpenraum, die auf sanften Tourismus setzen, mit unserem Label „Bergsteigerdörfer“.

Damit wollen wir diese Vorreitergemeinden in der Öffentlichkeit besser sichtbar machen und entsprechende Impulse für andere Gemeinden setzen. Aber uns geht es wie den meisten, die mit Tourismusentwicklung zu tun haben: Bei der Umgestaltung der touristischen Angebote im Alpenraum hin zu einem neuen Tourismus, der auch dem Klimawandel Rechnung trägt, stehen wir erst am Anfang.

 

Schitour im Nationalparkdorf Mallnitz,  Foto Peter Angermann


Best of Winter: Können alpiner Skisport und „alternativer Wintersport“ nebeneinander existieren?


Thomas Bucher: Selbstverständlich. Anders wird es auch nicht gehen, denn die bestehenden Skigebiete werden ja nicht von heute auf morgen von der Bildfläche verschwinden. Je nach Region und Höhenlage kann es durchaus sinnvoll sein, auch langfristig auf Skigebietstourismus zu setzen.

Die Herausforderung wird sein, dass jede Destination für sich das richtige touristische Profil findet und konsequent danach handelt. In dem einen Fall kann das heißen, das bestehende Skigebiet zu modernisieren.

In einem anderen Fall kann es sinnvoll sein, die bestehenden Lifte zu belassen oder gar rückzubauen und in den Ausbau sanfter Angebote zu investieren. Vielfältige touristische Angebote im Alpenraum sind wünschenswert. Dazu gehört das Nebeneinander von Skitourismus und anderen Formen. Nur eines ist sicherlich nicht sinnvoll: Die ohnehin bereits übererschlossenen Alpen noch weiter zu erschließen. Die Skigebiete sollten in ihren jetzigen Grenzen bleiben.

Skitour in Osttirol


Best of Winter: Was raten Sie Schneeschuhanfängern für ihre ersten Touren?


Thomas Bucher: Drei verschiedene Strategien sind denkbar. Erstens: Der Einstieg über geführte Touren. Zweitens: Die ersten Touren mit erfahrenen Freunden oder Bekannten machen. Und drittens: Auf eigene Faust losgehen, aber bewusst auf bestehenden Winterwanderwegen bleiben – also etwa dem Weg zu einer im Winter geöffneten Hütte. In jedem Fall gilt, was eigentlich für alle Bergtouren gilt: Erst einfache und kurze Touren unternehmen und dann Schritt für Schritte längere und schwierigere Touren machen. Man sollte sich beim Schneeschuhgehen immer vor Augen führen, dass man im winterlichen Gebirge unterwegs ist.

Und das heißt: Die beschilderten Wanderwege vom Sommer sind nicht sichtbar, es ist deutlich kälter und ein Wetterumschwung führt sehr schnell in eine ernste Situation. Schließlich das Wichtigste: Abseits gesicherter Pisten und Wege besteht Lawinengefahr. Entsprechende Kenntnisse sind unabdingbar. Schon hieran wird deutlich: Wer als Touristiker Schneeschuhwandern anbietet, muss sich viele Gedanken machen, wie er das umsetzen möchte.

Winterwandern in der Naturparkregion Reutte



Best of Winter: Und Skitouren-Anfängern, was empfehlen Sie denen?


Hier gilt dasselbe, das für Schneeschuhtouren gilt. Ein guter Einstieg sind Skitouren auf Pisten, um sich mit dem Material vertraut zu machen und zu sehen, ob diese Sportart die richtige ist. Mit Lawinengefahr und Orientierung muss man sich so nicht auseinandersetzen.

Übrigens ist dieser Punkt bereits eine touristische Herausforderung: gute Aufstiegswege für Skitouren auf Pisten anbieten. Viele Destinationen sehen in den Tourengehern noch keine Zielgruppe, die es wert wäre, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Ein Umdenken in dieser Sache gehört auch zum Umbau hin zu einem tragfähigen, weil vielfältigen Tourismus in den Alpen.

Das Interview führte Caroline Opp

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